So, here we are again.
Ich öffne mein Herz, aller Widrigkeiten zum Trotz. Ich lasse mich ein, mache mich verwundbar. Und laufe blind ins offene Messer. Bojack Horseman meinte einst „Everybody loves me. But nobody likes me.“ Nun, das Problem hab ich nicht. Everybody likes me. Zumindest die meisten und die wenigen, die es nicht tun, auf die geb ich nichts. Ich bin ein Mensch, den man mag. Ich bin freundlich, ich bin nett, ich bin hilfsbereit, ich bin empathisch, ich bin weise, ich bin ein sympathischer Charakter. Ich werde gemocht. Und das ist ein schönes Gefühl, keine Frage. Everybody likes me.
But nobody loves me.
Ich bin liebenswert. Das ist der Leitsatz, den mein Sonnenkind mir beibringen soll. Der Leitsatz, den ich nie erfahren habe und der mir in fast 36 Jahren bislang verwehrt blieb. Mein Sonnenkind ist im übrigen ein Arschloch, dass nur dafür existiert, dreckig zu lachen und zu sagen „You wish. Träum weiter“
Ich möchte nicht undankbar sein. Ich weiß die Menschen in meinem Leben, denen ich etwas bedeute, sehr zu schätzen. Ich habe das Glück, einige spezialgelagerte Sonderexemplare der Gattung Mensch in meinem Umfeld zu haben, ohne die ich mein Leben und mich nicht ertragen könnte. Am Ende des Tages aber bin ich allein. Wenn die Fensterläden geschlossen werden, wenn die Schlafzimmertüren zugehen, wenn sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen – dann bin ich allein auf weiter Flur und allein mit meinen Gedanken die mir sagen: so wirst du immer bleiben. Allein. Weil du es nicht wert bist.
Ja, und jetzt werden all diese wunderbaren Menschen in meinem Leben heftig protestieren und sagen, jawohl bist du liebenswert, look at us, we love you, du bist sowas von liebenswert, wer könnte dich nicht lieben. Die Antwort? Alle.
„Liebe Julia, ich schätze dich unglaublich als Mensch. ABER“
„Liebe Julia, ich bin einfach Fan von dir. ABER“
„Lieber Julia, lass uns unbedingt weiter viel Zeit miteinander verbringen. ABER“
Aber lieben kann ich dich nicht. Aber in meinem Herz und meiner Seele rührt sich nichts. Viel Julia, bitte, aber bloß nicht mehr als Freundschaft.
Online-Dating ist hart und ich hasse es. Alas, würde ich seufzen lebte ich in einem Jane Austen Roman, – ich wohne in einem kleinen Kaff wo jeder jeden kennt und die Auswahl nicht nur klein, sondern auch weit außerhalb meines Interessengebiets liegt. Mir bleibt also im Grunde genommen keine Wahl. Trotz unverschämter „Komm, bisschen vögeln geht immer“ und oh, Klischee, Klischee, zahlreicher dick pics. Ich tu mich schwer und mit den meisten Chats verläuft es sich auch ziemlich schnell im Sande. Liebe Männer, daran ändert ein Foto eures Geschlechtsteils im Übrigen gar nichts. Eher im Gegenteil. Frustrierend das Ganze, aber was soll’s, bleibt einem ja nichts anderes übrig. Damit hab ich mich abgefunden (und maule trotzdem gerne daran herum).
Ich halte nichts vom zu lange zu viel Schreiben. Ich muss den Menschen wahrnehmen. Klar führt das zu einer Menge first dates, Kaffees und Spaziergängen, nach denen von beiden Seiten klar ist, nee, ist nicht. Damit kann ich leben, auch das gehört nunmal dazu. Trial and Error. Was hart ist, sind die guten Treffen. Die, die ewig dauern. Die, die ein zweites Date zur Folge haben. Und noch eins. Und noch eins. Und dann, wenn mir der andere volles Interesse und Aufmerksamkeit entgegenbringt und ich mir vorsichtig erlaube, mein Herz zu öffnen, nur ein klitzekleines bisschen, tja, dann kommt einer der o. g. Sätze.
Mein letztes Date war objektiv betrachtet eine Katastrophe. Mein Hund kotze auf seinen Wohnzimmerteppich, ich zerdepperte ein Weinglas, die ganze Filmreife Slapstickpalette. Und trotzdem wollte er mich wiedersehen. Und was macht mein Bauch? Fängt an zu verkrampfen und mir zuzuraunen: glaubst auch nur du. Wart nur ab. Und mein Therapeut und meine Freunde und auch ich selber halten dagegen. Nein, die Zeichen deuten dagegen. Also lasse ich mich überzeugen und gebe mich hoffnungsvoll.
Eine Woche positiver Textnachrichten, die die Hoffnung weiter befeuern später: Surprise, surprise – ich schätze die Gespräche, die Momente mit dir so sehr und würde gerne weiter Zeit mit dir verbringen. ABER. Der Rest ist Geschichte. QED, quod erat demonstrandum, was zu beweisen war. Gefühle kann man nicht erzwingen, schon klar, und ich mache niemanden einen Vorwurf (vielleicht dem ein oder anderen auf die Art und Weise, WIE er mir das mitteilte). Was ist so falsch an mir, dass es anderen unmöglich ist, mich zu lieben? Immerhin auf die fiese Stimme in meinem Kopf kann ich mich verlassen – die, die mir sagt, gib auf, bringt alles nix. Denn bisher hat sie immer Recht behalten. Und lacht sich auch jetzt wieder ins Fäustchen sodass ich mich frage: warum dagegen ankämpfen? Wofür? Für wen? Für mich nicht, ich bin es nicht wert.
Wenigstens, und das ist ein schwacher Trost, kann ich meinem Therapeuten entgegenwerfen: Ich hatte recht.