…im Il Convivio
Mia prima cena in bella Tropea! Müde und überwältigt und nach zwei Beinahe-Panikattacken wollte ich gar nicht lange suchen, ging einfach drauflos und stolperte über dieses pittoreske Gässchen:
Erschöpft und dankbar nahm ich mit einem atmosphärischen Seufzer an einem der Tische Platz. Da die Italiener eher spätere Speisende sind, gehörte mir um kurz nach sieben die terrazza zunächst ganz alleine.
So saß ich da, studierte neugierig die Karte und mir schwante, das würde teuer werden. Ich war mitten in eine Tourifalle getappt. Come viene, viene, beschloss ich schulterzuckend, holte mia agenda con una copertina gialla heraus (einer der nützlichen Phrasen in meinem A2-Lesebuch. Kann man immer gebrauchen im Alltagsplausch, ein Notizbuch mit *farbigem* Einband), schrieb die ersten Assoziationen und Gedanken darnieder und verwandelte meine Umtriebigkeit in zunehmenden inneren Frieden. Ich bestellte zunächst einen vino rosso locale und einen Insalata Tropea – der mit den berühmten roten Zwiebeln, Tomaten, Basilikum und kleinen schwarzen Oliven. Schmeckte gut, aber ich war etwas überfordert wohin mit den Olivenkernen. Vor allem weil mich mangels weiterer Kundschaft fünf gelangweilte Kellner dauerhaft im Blick hatten. Während ich also beschämt meine Steinchen möglichst unauffällig und unelegant aus dem Mund nahm und unbeholfen auf einem Stück Brot deponierte, füllten sich nach und nach die Nachbartische. Laut Google (ja, ein bisschen Rezensionen gespickelt hab ich schon) gab es hier ganz hervorragende Pizza und innerlich händereibend orderte ich eine Cappricciosa. Und wurde herbe enttäuscht. Sie war ok. Aber es war eine ganz olle normale Pizza, kein Wow-Faktor, kein fluffiger, dicker Rand und so gar nicht neapolitanisch. APEration Strombolicchio fehlgeschlagen. Die Linguini und Antipasti am Nachbartisch sahen dafür gut aus, also nahm ich mir vor, wieder zu kommen. Und das tat ich auch. Es war ein frühsommerlicher Spätnachmittag und ich hatte mich zur Regeneration auf mein camerirera zurückgezogen als der Himmel seine Schleusen öffnete und sich ein Bilderbuchsommerregen über uns ergoss. Nach diesem für Calabrien typischen wolkenbruchartigen Regenguss hatte die Sonne das Städtchen wie in Gold getaucht. Aus allen Gassen dampfte es herrlich saftig, überall wurden die Terrassen so eifrig gedeckt wie sie eben erst eilig abgeräumt worden waren.
Im sonnengetränkten Gässchen des Convivios nahm ich Platz und bestellte mir einzig und allein die Primi Piatti Stringozzi con Vongole e Cozze. Irgendwie fies, dass das im Deutschen Miesmuschel heißt und das Italienische für uns Deutsche klingt wie rückwärts essen. Die englische Sprache hat da eine bessere Beziehung zu muschligem Meeresgetier, happy as a clam kommt ja nicht von ungefähr! Linguistische Ästhetik aber mal beiseite: schmecken tun sie. Hervorragend.
Stringozzi heißt so viel wie Schnürsenkel und beschreibt auch ganz gut die Form dieser Pasta in Länge, Breite, Tiefe – nicht aber in Konsistenz. Die war schön al dente, wie es sich gehört. Und mein Biss ist fest. Ich bin al denter als den meisten lieb ist. Weicheier!
Aber zurück zu meinem Restaurantbericht: Pasta & Muscheln bitte mehr, Pizza eher meh. Atmosphärisch top gelegen, preislich ok, und ein besonderes Schmankerl fürs geschulte Auge gibt’s gratis dazu: der capocameriere trägt einen gigantischen Bauch mit sich herum, über den sein schwarzes Polohemd zum Zerreißen gespannt ist, und den er mit jedem Schritt stolz vor sich herschiebt. René Goscinny und Albert Uderzo müssen einst hier gesessen haben und inspiriert von dem ein oder anderen vino ihre Zenturionen Zenturien Zenturios nach ihm modelliert haben.