Tropea, Calabria, ITA, 4.-14. Giugno 2021
…zählt, wie man so schön sagt. Und steigt aus dem Zug aus auf einen verstaubten, verlassenen Bahnhof mit verblichenen Schildern. Es ist heiß, aber nicht stickig, die Sonne scheint und es geht eine sanfte Brise. Ich folge der Straße bergab ins centrò antico und rumple und rattere mit meinem Rollköfferchen das Steinpflaster herunter. Geradeaus geht es weiter zum Meer, es lockt schon aus der Ferne, ich aber biege rechts ab in ein es von vielen Seitengässchen, die Via Glorizio, und steige steile, breite Steinstufen hinauf zu einem großen, grünen Tor – der Eingang zum
B&B Il Vecchio Castello,
mein Zuhause für die kommenden zehn Tage. Das Gebäude ist in der Tat sehr alt. Im Erdgeschoss sind grobe Kopfsteinpflaster, früher waren das wie in vielen der alten Häuser Stallungen. Eine steile Steintreppe führt in die oberen Stockwerken, anno dazumal die appartamenti nobili. Das B&B befindet sich im zweiten Stock, höhenmetrisch aber mindestens drei, bestätigen mir meine Beine und meine smarte watch. Die Zimmer sind alle renoviert, dankenswerterweise optisch nicht modernisiert sondern schlicht und dezent in reinem weiß gehalten. Hohe Decken, Flügelglastüren auf einen französischen Balkon hinaus mit Blick auf den Sedile dei Nobili, das heutzutage Ausstellungsräume und das Touristenbüro beherbergt, den Brunnen Tre Fontane, den Corso und das Meer. Kunstvolle Bodenfliesen ergänzen das Postkarenmotiv auch im inneren des Gebäudes. Gemälde in majestätischen goldenen Rahmen an den Wänden und antike Keramiken in den Regalen schaffen ein Gefühl, als lebe man inmitten einer antiken Ausstellung. Fantastisch. Mussorgsky hätte vermutlich direkt mit komponieren begonnen. Mein cameriera una ist klein, aber einladend und ich werde viele Abende auf diesem Balkon beginnen oder ausklingen lassen, berieselt vom dolce vita unten in den Bars, ein herrlich willkommenes Geräusch der Lebendigkeit und Lebensfreude nach den vergangenen stillen und isolierten Monaten. “La dolce vita se sveglia” pflege ich diese Atmosphäre zu beschreiben, “das süße Leben erwacht”. Mein Gastgeber Antonio, ein signore der älteren Generation, spricht nur italienisch, ist mir auf Anhieb molto simpatico und hat meine Zeit in Tropea um so Vieles bereichert, er hat sich sein eigenes Kapitel verdient.
Nachdem ich mich eingerichtet, heimelig und frisch gemacht habe, bin ich bereit für einen ersten Erkundungsspaziergang. Entlang des Corso geht es direkt Richtung mare, vorbei an Cafés, Bars und Souvenirshops mit ihren prodotti tipici. In einem mache ich spontan Halt, lasse mich von einem uomo vecchio beraten (Betonung auf raten, denn meine mangelnden Vokabelkenntnisse lassen nichts anderes zu) und gönne mir eine Flasche Gaglioppo, für später. Dopo: Gaglioppo, wie sich sehr schön reimen lässt. Tropea, lerne ich schnell, ist recht kompakt. Das centrò storico ist klassisch rund, und durchzogen von einem Labyrinth verwinkelter Gässchen. Die modernere Neustadt zieht sich nach Süden in die Länge, in der entgegengesetzten Richtung liegt der Hafen und gen Landesinnere, hoch oben, thront die Chiesa Michelizia. Nach nicht einmal 5 Minuten Schlendern mündet der Corso in eine Sackgasse. Zwischen zwei hohen Steinhäusern versperrt ein Eisengeländer zwar den Weg, nicht aber die Aussicht direkt aufs Meer. Kann sich sehen lassen, dieses Panorama und dabei sind wir zeitlich noch gute zwei Stunden vor dem ersten Sonnenuntergang sul mare. In der Ferne sind die Silhouetten der Äolischen Inseln auszumachen und unendliche Horizonte….
Meinen ersten Abend lasse ich erschöpft von der Reise und der damit verbundenen Bürokratie ausklingen auf meinem Balkon, mit Blick über die città und einer famosen Farbpalette über dem Meer, mit einem bicchiere Gaglippo in der Hand und dem Herzen, so ahne ich, am rechten Fleck.
Ihr wollt auch an die Stiefelspitze? Dann schaut bei Katrin auf Urlaub an der Stiefelspitze vorbei und lasst euch von ihr beraten und von ihrer Liebe zu Land und Leuten anstecken!
Liebe Julia, endlich komme ich dazu, Deine schönen Texte über Deine Reise nach Tropea in Ruhe zu lesen! Es ist so schön, Dich dort zu sehen und beim Lesen zu spüren, dass Du genau das aufzufangen weißt, was diese besondere Region an der Stiefelspitze Italiens uns zu schenken vermag! Kalabrien ist groß! Go for it! a presto, Katrin